Gedenkfeier in Graz

Tausende nahmen Abschied: „Wir stehen zusammen!“

Steiermark
15.06.2025 18:00

In Momenten, wo scheinbar nichts mehr hilft, tut es oft gut, zumindest nicht allein zu sein. Vertreter von Schule, Politik und Religionsgemeinschaften verabschiedeten sich am Sonntagabend am Grazer Hauptplatz gemeinsam von neun Schülern und einer Lehrerin des BORG Dreierschützengasse. „Bitte, liebe Regierung, ändern Sie etwas“, appellierte Schulsprecher Ennio Resnik.

Über Hauptplatz und Herrengasse, Herz der pulsierenden Murmetropole, legte sich Sonntagabend ein schwarzer Trauerschleier. Fünf Tage nach dem grauenvollen Amoklauf am BORG Dreierschützengasse, der zehn unschuldige Menschenleben forderte, versammelten sich hier Tausende Menschen, um gemeinsam zu trauern. Mit dem Lied „Homeward bound“, gesungen von Schülern des Grazer HIB Art Chors, begann die würdige Trauerfeier vor dem Rathaus. „Ich brauche jemanden, der mich tröstet“, heißt es in dem Song.

Die Moderatorin begrüßte alle Schüler, Lehrer, Eltern, Vertreter und „alle, die Graz so lieben, wie wir“. „Was am Borg Dreierschützengasse passiert ist, das hat uns alle mit voller Wucht getroffen“, sagte sie, „aber wir können den Schmerz und die Last teilen. Wir stehen zusammen, weit über die Grenzen von Graz hinaus.“

Bundespräsident: „Mehr Liebe, weniger Hass“
Von Bundespasspräsident Alexander Van der Bellen wurde eine Videobotschaft abgespielt: Darin beschreibt er die freudige Stimmung, die in der Pause in der Schule herrscht – binnen Sekunden wurde sie am Dienstag zu Stille. „Der Täter hat den Lehrern, Schülerinnen und sich selbst die Zukunft genommen. Das Geschehen lässt uns sprachlos zurück, aber wir werden Antworten finden – mehr Liebe, weniger Hass, mehr Hinschauen, weniger Wegschauen. Es sind schwere Tage, tragen wir uns gegenseitig durch!“

Bundespräsident Alexander Van der Bellen
Bundespräsident Alexander Van der Bellen(Bild: Jauschowetz Christian)

Es folgte die Rede von Staatssekretär Alexander Pröll (ÖVP): „Ich habe lange nach den richtigen Worten gesucht. Wie tröstet man Eltern, die ihr Kind verloren haben? Vielleicht geht es heute gar nicht um die richtigen Worte, sondern darum, dass wir gemeinsam hier sind.“ Was von den dramatischen Ereignissen bleibe, sei der Zusammenhalt der vergangenen Woche. Man solle zuhören und mitfühlen. „Vielleicht reicht manchmal ein Satz: Wir sind da.“

„Er wollte, dass wir hassen, aber er hat versagt“
Anschließend sprach die Moderatorin die Schüler und Schülerinnen persönlich an – sie rang mit den Tränen: „Ich maße mir nicht an, zu verstehen, wie ihr euch fühlt. Aber ihr habt einander, vergesst das nie.“ Sie übergab das Wort an Schulsprecher Ennio Resnik, der sich in einer Videobotschaft zu Wort meldete: „Es ist immer noch schwierig, die Tat zu begreifen. (...) Ich will, dass wir zusammenhalten.“ Egal, welche Religion, welche politische Haltung oder welches Geschlecht.

Schulsprecher Ennio Resnik
Schulsprecher Ennio Resnik(Bild: Jauschowetz Christian)

Er mahnte die Politik, aufzuwachen, damit so etwas nie wieder passiere. Aber er bedankte sich auch bei allen Einsatzkräften, die so professionell gehandelt haben, und bei allen Lehrkräften, die den Betroffenen zur Seite standen. Abschließend sagte er: „Er wollte, dass wir hassen, aber er hat versagt.“

Bürgermeisterin fordert Änderungen
Auch Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) blickte auf die vergangene Woche zurück. „128 Stunden sind vergangen, seit die für uns unvorstellbare Gewalttat passiert ist. Bei vielen ist ein Grundvertrauen verloren gegangen, das nicht einfach wieder herstellbar ist. Viele haben wenig geschlafen und nach einer Erklärung gesucht. Aber für das Geschehene gibt es keine Erklärung.“ Es gebe nur einen Weg, wie wir wieder Mut finden können: Zusammenhalt, Solidarität, Mitmenschlichkeit. „Das alles zeichnet unsere Stadt und die ihre Menschen in dieser schwierigen Zeit aus.“

Die Trauergäste bekamen weiße Rosen.
Die Trauergäste bekamen weiße Rosen.(Bild: Jauschowetz Christian)

Man müsse sich fragen, woher das Unbehagen des Täters kommen konnte. „Nach vorne schauen heißt, zu überlegen, was wir tun können, damit sich unsere Kinder und Jugendlichen in dieser Welt sicher und wohlfühlen können“, sagte Kahr. Die Schüler und Schülerinnen des BORG Dreierschützengasse traten auf die Bühne. „We are the World“ von Michael Jackson wurde abgespielt, auch Schulsprecher Ennio Resnik sang mit kräftiger Stimme mit. „Bitte, liebe Regierung, ändern Sie etwas. Danke“, sagte er anschließend ins Mikrofon.

„Wir wollen nicht zurück zur Realität“
Elternvertreter Mirza Candic fand ebenso klare Worte. „Eines hat die schwere Zeit gezeigt: Wir sind nicht alleine. Danke an die Stadt, an die Einsatzkräfte, die Ärzte und Krankenpfleger“, sagte er. Und weiter: „Wir wollen nicht zurück zur Realität, denn diese hat nicht gereicht. Wir wollen eine Schule, in der niemand übersehen wird. Wir dürfen Kinder nicht verlieren, weil wir zu schnell wegschauen.“

Die letzten Worte lagen bei den Vertretern der Religionsgemeinschaften der Stadt, denen auch die Amokopfer angehörten. „Wir stehen bereit, um Trost zu spenden und Brücken zu bauen“, sagte Inga Margareta Brenner, Vorsitzende des interreligiösen Beirats. Mehmet Celebi von der Islamischen Religionsgemeinde: „Ich lade Sie ein, einen Moment innezuhalten: Was kann ich beitragen, zu einer Gesellschaft, die heilt? Vielleicht geht es nicht um die großen Taten, sondern die kleinen Gesten.“ Zum Abschluss sang der HIB Art Chor „Imagine“ John Lennon, während jeder Trauergast die Hand seines Nachbars nahm.

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