Volksoper Wien

„Carmen“ als Vorgruppe auf dem Donauinselfest

Kultur
17.06.2025 05:30

An dieser Produktion ist so gut wie alles ungewöhnlich: Bizets „Carmen“ ist musikalisch neu arrangiert und in Western-Optik am Donnerstag als Pre-Opening auf dem Donauinselfest zu erleben. Die „Krone“ traf das Regieduo Nils Strunk und Lukas Schrenk vorab zum Interview auf der Probenbühne.

Oper mit einer flotten Band statt mit großem Orchester, mit frisch zusammengewürfelter Musik, neu arrangierten Figuren und einem frei adaptierten Libretto? Was für viele Opernfreunde wie eine Drohung klingt, das lassen Nils Strunk und Lukas Schrenk lustvoll Realität werden. Sie setzen Bühnen-Klassiker nicht einfach in ein neues Licht, sie schmieden aus eingängigen Versatzstücken völlig neue Werke. Durchaus erfrischend. Einen Vorgeschmack auf ihre „Carmen“-Bearbeitung an der Volksoper Wien im Herbst, zeigen sie schon vorab – am 19. Juni als Vorprogramm auf dem Donauinselfest.

Für diese „Carmen“ gab es gleich mehrere Einflugschneisen. Zuerst einmal war da die erfolgreiche Bearbeitung der „Zauberflöte“, die Strunk und Schrenk für das Burgtheater erarbeitet haben. Im Grübeln, welche Oper die das Regieduo noch reizen könnte, tauchte schnell Bizets Opernklassiker auf. Als dann die Anfrage von Volksopern-Direktorin Lotte de Beer kam, die Oper für das Donauinselfest zu adaptieren, war der Nährboden schon aufbereitet. Letztlich entsteht jetzt ein Musiktheater-Abend, der ab 1. Oktober an der Volksoper zu sehen sein wird.

Verpassen Bizets „Carmen“ ein optisch und klanglich völlig neues Gewand: Nils Strunk und Lukas ...
Verpassen Bizets „Carmen“ ein optisch und klanglich völlig neues Gewand: Nils Strunk und Lukas Schrenk (rechts).(Bild: Volksoper/Volker Schmidt)

„Carmen“ als Rückblende erzählt
In den ersten Juni-Tagen probt das Team rund um das Regieduo und den musikalischen Leiter Gabriel Cazes auf der Probebühne der Volksoper unter den Stadtbahnbögen. Beim „Krone“-Interview vor der morgendlichen Session sprühen Nils Strunk und Lukas Schrenk nur so vor Energie – haben schon bei der gemeinsamen Herfahrt mit dem Fahrrad Ideen gewälzt.

Die Geschichte der Fabrikarbeiterin Carmen und ihrer freiheitsliebenden Art erzählt das Trio als Rückblende. „Unser Abend spielt 13 Jahre nach den Ereignissen der Oper“, erzählt Lukas Schrenk: „Es ist der Tag, an dem Don José für seinen Mord an Carmen gehängt werden soll. Die Charaktere der Oper treffen sich in der Bar von Lillas Pastia. Man sitzt beisammen, man erinnert sich. Und man sieht, was aus den Figuren geworden ist.“

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„Mit Carmen wird ein Gegenstück zur romantischen Liebe gezeigt: eine Liebe, die frei ist, keinen Besitzanspruch kennt. Damit stellt sie bürgerliche Vorstellungen in Frage.“

Lukas Schrenk, Regisseur

Western-Optik und Band-Sound
Jenseits dieses Handlungsstranges kommt diese „Carmen“ in einem gänzlich neuen Gewand daher – optisch wie musikalisch. Die Plastik-Revolver inklusive Platzpatronen am Rande der Probebühne verraten etwas über die sehr filmische Ästhetik. „Wir sind durchaus Western-Fans“, schwärmt Lukas Schrenk, „wir lieben die Arbeiten von Tarantino, Sergio Leone oder Ennio Morricone.“ Dieses Western-Setting wird man auch hören, erzählt Nils Strunk: „Musikalisch ist diese Oper ein Meisterwerk! Wir verwenden diesmal keine Covermusik. Man hört Bizet – aber in anderem Gewand.“ Flamenco wird eine Rolle spielen, erzählt Strunk, auch Chanson wird anklingen in der sechsköpfigen Band.

Gute Laune bei den Proben: Regisseur Nils Strunk (mitte) mit dem musikalischen Leiter der ...
Gute Laune bei den Proben: Regisseur Nils Strunk (mitte) mit dem musikalischen Leiter der Produktion, Gabriel Cazes (links), sowie der Carmen-Darstellerin Katia Ledoux. (Bild: Volksoper/Anna Pintsuk)

Das zentrale Thema der Oper? Da sind sich die beiden einig: „Die Liebe, natürlich!“ Lukas Schrenk präzisiert: „Mit Carmen wird ein Gegenstück zur romantischen Liebe gezeigt: eine Liebe, die frei ist, keinen Besitzanspruch kennt. Wir sehen eine Frau, die einfach über ihr Leben entscheiden will. Damit stellt sie bürgerliche Vorstellungen infrage.“

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„Manches Theater ruft dem Publikum zu: Wisst ihr eigentlich, was da draußen los ist? Und da sitzen 1000 Menschen im Saal und sagen: Wir wissen es ganz genau, wir kommen ja gerade von da!“

Nils Strunk, Schauspieler und Regisseur

Wenn Freiheit zur Bedrohung wird
Und: „Sie bezahlt dafür mit ihrem Leben“, fügt Nils Strunk hinzu. Die beiden haben sich in der Vorbereitung auch mit den strukturellen Fragen rund um das Thema Femizid beschäftigt. „Wie reagiert eine Gesellschaft auf eine Freiheit, die sie als gefährlich und bedrohlich wahrnimmt? Was ist der Nährboden dieser Morde? Da werden Frauen getötet, weil sie Frauen sind, für die Art wie sie leben, oder eben nicht mehr leben wollen. Die Täter sind zu fast 100 Prozent Männer. Oft eben solche, die eine Trennung nicht akzeptieren. Genau wie in Carmen. Doch was steckt da noch dahinter? Gesellschaftlicher Druck? Prägende Erziehung? Wie entsteht diese sogenannte ,toxische Männlichkeit‘? Wer bringt Carmen denn eigentlich um? Auch eine Gesellschaft?“

Die musikalische Arbeitsweise beschreibt Nils Strunk als sehr frei: „Wir gehen da wirklich mit der Schere und der Axt dran, schneiden die Passagen heraus, die uns interessieren. Manchmal ist das ein halber Takt, aus dem wir einen Song bauen und manchmal spielen wir nur leicht verändert das Original.“

Die „Carmen“-Termine

  • Einen Vorgeschmack auf die „Carmen“-Bearbeitung gibt es am 19. Juni als Pre-Opening für das Donauinselfest: um 21 Uhr auf der Bank Austria / Radio 88.6 Rockbühne.
  • In voller Länge hat die Produktion in der Regie von Nils Strunk und Lukas Schrenk am 1. Oktober in der Volksoper Premiere. Die musikalische Leitung liegt bei Gabriel Cazes.
  • Nach wie vor parallel im Programm ist die klassische „Carmen“-Inszenierung in der Regie von Volksopern-Direktorin Lotte de Beer. Sie steht ab 7. September wieder auf dem Spielplan. 

Vom Regietheater erschlagen
Dass das Genre Oper sich wehrt gegen Eingriffe in die Partitur, kann Nils Strunk nachvollziehen: „Oper wird ja immer wieder vom Regietheater erschlagen.“ Von Aktualisierungen um jeden Preis hält der Schauspieler daher wenig: „Manches Theater neigt dazu, zu viel mit dem Zeigefinger zu arbeiten. Es ruft dem Publikum zu: Wisst ihr eigentlich, was da draußen los ist? Und da sitzen 1000 Menschen im Saal und sagen: Wir wissen es ganz genau, wir kommen ja gerade von da!“

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Wir sind keine Freunde von elitärer Kunst aus dem Elfenbeinturm, bei der sich das Publikum abgehängt fühlt.

Lukas Schrenk, Regisseur

Eskapismus soll Oper freilich auch nicht sein, ergänzt Lukas Schrenk: „Musik ist eine universelle Sprache, die direkt ins Herz geht. Sie kann auf unmittelbare Weise Geschichten erzählen – ganz eng im Dialog mit dem Publikum. Wir sind keine Freunde von elitärer Kunst aus dem Elfenbeinturm, bei der sich das Publikum abgehängt fühlt. Die Menschen im Saal sind unser Partner, wir kommunizieren miteinander. Dafür muss man den richtigen Ton finden.“

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